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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 17.08.2006
Aktenzeichen: 15 Sa 720/06
Rechtsgebiete: BGB, KSchG, BetrVG


Vorschriften:

BGB § 626
KSchG § 1
BetrVG § 102
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 15.03.2006 - 10 Ca 4720/05 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 05.09.2005 weder fristlos noch fristgerecht beendet worden ist.

2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 4/10, die Beklagte 6/10.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung und um Weiterbeschäftigung.

Der am 23.09.1949 geborene Kläger ist verheiratet und wohnt in D2xxxxx. Er ist aufgrund eines am 18.09.1995 mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten begründeten Arbeitsverhältnisses als Tischler beschäftigt und erhielt zuletzt ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von 2.389,72 € bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 37 Stunden. Bei der Beklagten, bei der ein Betriebsrat gewählt ist, sind regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer tätig.

Der Kläger wurde von der Beklagten zuletzt in der Regel gemeinsam mit einem Arbeitskollegen, der ebenfalls in Dresden allerdings mindestens 15 km von ihm entfernt wohnte, in B4xxxx eingesetzt. In der Regel holte sein Arbeitskollege ihn mit einem von der Beklagten zur Verfügung gestellten Fahrzeug montags morgens ab und brachte ihn freitags nachmittags wieder nach Hause. Zu Beginn einer jeden Woche gab der Kläger jeweils zusammen mit seinem Arbeitskollegen auf einem Formblatt die gefahrenen Kilometer und die Fahrzeiten der vorangegangenen Woche an und gab den Wochenbericht bei der Beklagten ab. Die über 50 Minuten hinausgehenden Fahrzeiten wurden von der Beklagten als Arbeitszeit anerkannt und entsprechend vergütet bzw. durch Freizeitausgleich abgegolten. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die vom Kläger angegebenen Fahrzeiten den tatsächlich zurückgelegten Wegezeiten entsprechen.

Am Montag, den 22.08.2005 ließ die Beklagte die Fahrzeiten des Klägers durch eine Detektei kontrollieren. Hierbei wurde festgestellt, dass der Arbeitskollege des Klägers um 5.25 Uhr sein Haus in D2xxxxx verließ, um 5.40 Uhr den Kläger aufnahm und um 8.25 Uhr am Arbeitsort in B4xxxx eintraf. Am 29.08.2005 gab der Kläger bei der Beklagten den Wochenbericht für die vergangene Woche ab. Hierbei hatte er für den 22.08.2005 eine Fahrzeit für den Hinweg von drei Stunden eingetragen.

Am 05.09.2005 führte der Geschäftsführer der Beklagten in D1xxxxxx im Beisein der Betriebsratsvorsitzenden ein Gespräch mit dem Kläger und hielt ihm dabei vor, er habe in dem Wochenbericht eine zu lange Fahrzeit angegeben. Die weiteren Einzelheiten des Gesprächs vom 05.09.2005 sind zwischen den Parteien streitig.

Am 08.09.2005 erhielt der Kläger ein auf den 05.09.2005 datiertes Schreiben der Beklagten, das folgenden Inhalt hat:

"Sehr geehrter Herr G2xxx,

hiermit kündigen wir Ihnen das bestehende Arbeitsverhältnis gemäß Arbeitsvertrag vom 01.04.2003, Betriebsübergang vom 01.01.2005, verhaltensbedingt und fristlos zum 06. September 2005.

Ist die Kündigung unwirksam, so gilt diese als fristgemäße Kündigung für den nächst zulässigen Termin.

Im Zeitraum vom 22.08.2005 bis 02.09.2005 wurde Ihre abgerechnete Fahrzeit überprüft. Mit Stand vom 02.09.2005 erhielt ich die Information, dass Ihre tatsächliche Fahrzeit niedriger als die von Ihnen abgerechnete Fahrzeit ist. Diese regelmäßige Falschangabe, haben Sie im persönlichen Gespräch, im Beisein der Betriebsratsvorsitzenden, Frau K3xxxx, zugegeben.

Das ist ein besonderer Vertrauensmissbrauch, der uns eine weitere Zusammenarbeit unmöglich macht.

Dem Betriebsrat wurden die Gründe für die Kündigung mitgeteilt. Dieser hat vom Widerspruch kein Gebrauch gemacht. Der Betriebsrat hat nach Anhörung der Kündigung zugestimmt.

Bis zum 15. des folgenden Monats erfolgt Ihre Lohnabrechnung, danach liegen Ihre Arbeitsunterlagen, Lohnsteuerkarte etc., in der Lohnbuchhaltung zur Abholung bereit.

Bis zu diesem Zeitpunkt sind Ausrüstungs- und Bekleidungsgegenstände in einem sauberen und gereinigten Zustand zurückzugeben. Das Fahrzeug ist sofort an Herrn P2xxxxx zu übergeben.

Wir weisen darauf hin, dass sich Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis endet, unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes beim Arbeitsamt arbeitssuchend melden müssen.

Wir bedanken uns für die geleistete Arbeit."

Hiergegen wendet der Kläger sich mit seiner Feststellungsklage, die am 13.09.2005 beim Arbeitsgericht Dortmund eingegangen ist.

Der Kläger hat bestritten, in den Wochenberichten zu lange Fahrzeiten eingetragen zu haben. Die von ihm angegebenen Fahrzeiten hätten der tatsächlich zurückgelegten Wegezeit entsprochen. Dies gelte auch für den 22.08.2005. Er, der Kläger, habe für diesen Tag eine Fahrzeit von drei Stunden angegeben. Nach seiner Auffassung beinhalte die Fahrzeit den Weg von der Wohnung bis zur Arbeitsstätte. Er sei davon ausgegangen, dass bei der Fahrzeit das Verlassen der Wohnung und der Fußweg zur Mitfahrgelegenheit umfasst sei. Er, der Kläger, habe mit seinem Arbeitskollegen P3xxxxxx vereinbart, dass dieser ihn am 22.08.2005 spätestens um 6.00 Uhr morgens abholen solle. Er, der Kläger, habe jedoch Wert darauf gelegt, etwas eher auf den Zeugen P2xxxxx zu warten, damit kein Zeitverzug eintrete. Er habe deshalb gegen 5.25 Uhr seine Wohnung verlassen und sich zu dem ca. 100 m weit entfernten Treffpunkt begeben. Er habe auch deshalb etwas mehr Zeit eingeplant, da er sein Reisegepäck habe mitnehmen und einladen müssen. Richtig sei, dass der Zeuge P3xxxxxx gegen 5.40 Uhr am vereinbarten Treffpunkt erschienen sei. In Berlin seien sie um 8.25 Uhr eingetroffen. Die angegebene Fahrzeit von drei Stunden stimme somit mit der Realität überein. Beginn der Fahrt sei das Verlassen des Hauses gegen 5.25 Uhr gewesen.

Auch am Freitag, den 26.08.2005 habe er die Fahrzeiten korrekt angegeben. Er, der Kläger, habe den Zeugen P3xxxxxx nach Hause gefahren, so dass auch die Zeit bis zu seiner, des Klägers, Wohnung als Fahrzeit zu rechnen sei.

Unzutreffend sei auch, dass er, der Kläger, im 1. Halbjahr 2005 Fahrzeiten falsch angegeben habe. In diesem Zeitraum seien im Einzelnen Fahrten zur Niederlassung B4xxxx, M4xxxxxxxx R4xx 72 - 91, M3xxxxxxxxxx und S2xxxxx, T2xxxxxxxxx D5xx betroffen gewesen. Die Fahrzeiten hätten zwischen 2 1/2 und 3 1/2 Stunden geschwankt. Die Fahrzeit von 3 1/2 Stunden habe auf einer Reifenpanne beruht. Zu keiner Zeit habe er zugegeben, zuviel Fahrzeit abgerechnet zu haben. Die Fahrt von Dresden nach Berlin sei in der Regel nicht in 2 1/2 Stunden zu bewältigen. Er, der Kläger, und sein Arbeitskollege hätten einen Transporter für die Fahrt benutzt und sich im Einzelfall auf die Verkehrslage einrichten müssen. Auf dem Weg von Dresden nach Berlin befänden sich einige Baustellen, welche die Fahrzeit erheblich verlängerten. Soweit die Beklagte Fahrzeiten der einschlägigen Routenplaner in Ansatz bringe, bestreite er deren Relevanz. Der Routenplaner gehe von optimalen Verkehrsbedingungen aus, die damals zu keiner Zeit vorgelegen hätten. Mitunter seien sie in dem Berufsverkehr geraten, so dass Fahrzeiten von drei Stunden und länger erklärlich seien. Es sei nicht erkennbar, wie die Beklagte dazu komme, ihm betrügerische Absichten bei den Reisekostenabrechnungen zu unterstellen. Im Personalgespräch am 05.09.2005 habe er den Vorwurf der falschen Fahrtkostenabrechnung nicht eingeräumt. Vielmehr habe er ausdrücklich die auf den Abrechnungsbogen angegebenen Fahrzeiten bestätigt und zu keiner Zeit erklärt, längere Fahrzeiten abgerechnet zu haben. Die von ihm, dem Kläger, angegebenen Fahrzeiten entsprächen der tatsächlich zurückgelegten Wegezeit.

Der Kläger hat weiter vorgetragen, er bestreite, dass nach dem Gespräch mit dem Geschäftsführer im Beisein der Betriebsratsvorsitzenden am 05.09.2005 ein weiteres Anhörungsgespräch betreffend die außerordentliche Kündigung mit dem Betriebsrat stattgefunden habe. Ein Beschluss des Betriebsrats vom 06.09.2005, sich zu der beabsichtigten Kündigung nicht zu äußern, werde mit Nichtwissen bestritten. Bestritten werde weiter, dass dem Betriebsrat über die Einzelheiten der vorgetragenen Kündigungsgründe Mitteilung gemacht worden sei. Insbesondere sei dem Betriebsrat der genaue Sachverhalt nicht mitgeteilt worden. Der Betriebsrat habe keine Kenntnis darüber erlangt, in welchem Umfang der Verdacht bestehe, er, der Kläger, habe Arbeitszeit falsch angegeben. Insbesondere sei dem Betriebsrat gegenüber der Eindruck erweckt worden, er habe falsche Angaben zugegeben. Dies sei nicht der Fall gewesen. Er habe lediglich die dokumentierten Angaben bekräftigt, die der Wahrheit entsprächen. Nach alledem habe der Betriebsrat der Kündigung keinesfalls vor ihrem Ausspruch zugestimmt. Auch eine abschließende Erklärung des Betriebsrats vor Ausspruch der Kündigung vom 05.09.2005 liege nicht vor.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 05.09.2005 nicht beendet wird und

2. im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten, arbeitsvertraglichen Bedingungen als Tischler weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, ihr sei im August 2005 aufgefallen, dass der Kläger für Fahrten von Dresden nach Berlin bzw. von Berlin nach Dresden jeweils drei Stunden Fahrzeit abgerechnet habe. Gleichzeitig sei aufgefallen, dass auch der Kollege des Klägers, der Zeuge P3xxxxxx, jeweils zwei Stunden Fahrzeit abgerechnet habe. In der Regel sei der Kläger von seinem Kollegen P3xxxxxx im Auto nach Berlin mitgenommen worden. Allerdings wohnten der Zeuge P3xxxxxx und der Kläger ca. 21 km Fahrstrecke auseinander, so dass die Wegezeiten differieren müssten. Sie, die Beklagte, habe deshalb beschlossen, die tatsächliche Fahrzeit des Zeugen P3xxxxxx und des Klägers durch eine Detektei überprüfen zu lassen. Der beauftragte Detektiv habe sich am Montag, den 22.08.2005 um 5.00 Uhr morgens vor dem Haus des Zeugen P3xxxxxx aufgestellt. Der Zeuge P3xxxxxx habe das Haus um 5.25 Uhr verlassen. Der Detektiv sei ihm gefolgt und habe festgestellt, dass er um 5.40 Uhr bei dem Kläger vorgefahren sei, um diesen abzuholen. Sodann habe der Detektiv den Einsatz beendet. Obwohl die Fahrzeit des Klägers somit maximal von 5.40 Uhr bis 8.25 Uhr, mithin maximal 2 Stunden 45 Minuten betragen habe, habe der Kläger in den Wochenbericht für den 22.08.2005 3 Stunden Fahrzeit wie sein Kollege P3xxxxxx eingetragen. Den Wochenbericht des Klägers für die 34. Kalenderwoche habe der Kläger am 29.08.2005 eingereicht. Den schriftlichen Bericht der Detektei über den Einsatz vom 22.08.2005 sei ihr, der Beklagten, am 01.09.2005 übermittelt worden. Am 01.09.2005 habe sie somit erstmals sichere Kenntnis darüber erlangt, dass der Kläger eine Fahrzeit unkorrekt im Wochenbericht angegeben habe. Ihr Geschäftsführer habe den Kläger daraufhin am 05.09.2005 zu einem Gespräch nach D1xxxxxx gebeten. Dieses Gespräch, an dem die Betriebsratsvorsitzende K3xxxx teilgenommen habe, habe um 12.00 Uhr stattgefunden. Der Kläger habe dabei zugegeben, seit ca. April 2005 für die Hin- und Rückfahrten Dresden/Berlin ca. 1/2 Stunde zuviel abgerechnet zu haben.

Bestritten werde, dass der Kläger am 22.08.2005 seine Wohnung bereits um 5.25 Uhr verlassen habe, um die Fahrt nach Berlin anzutreten. Letztlich sei dies allerdings unerheblich. Der Kläger habe für den 22.08.2005 drei Stunden Fahrzeit eingetragen. Nach seiner Behauptung habe er diese Zeit für die Fahrt nach Berlin nicht benötigt; sinnlose "Rumstehzeit" sei keine Fahrzeit.

Darüber hinaus habe der Kläger auch auf der Rückfahrt am 26.08.2005 dieselben Angaben zur Fahrzeit gemacht wie sein Kollege P3xxxxxx, nämlich 3,5 Stunden. Der Kollege P3xxxxxx habe auch auf der Rückfahrt zweifelsfrei 21 Kilometer mehr Fahrstrecke als der Kläger gehabt und somit eine mindestens 15 Minuten längere Fahrzeit gebraucht.

Nach alledem habe der Kläger ohne jeden Zweifel am 22.08.2005 einen versuchten Betrug hinsichtlich seiner Fahrtkostenabrechnung begangen. Ohne Zweifel habe der Kläger zugegeben, außerdem auch seit April 2005 falsche Fahrzeiten abgerechnet zu haben. Hilfsweise mache sie, die Beklagte, geltend, dass jedenfalls der dringende Verdacht des mehrfachen versuchten Betruges bestehe. Der Kläger sei dazu ordnungsgemäß angehört worden.

Auch die Betriebsratsanhörung sei ordnungsgemäß durchgeführt worden. Das Anhörungsverfahren sei am 05.09.2005 um 13.00 Uhr eingeleitet worden. Ihr, der Beklagten, Geschäftsführer habe die Betriebsratsvorsitzende davon unterrichtet, dass er dem Kläger aufgrund des von ihm eingeräumten "Zeitbetrugs", wie die Betriebsratsvorsitzende dies vor dem Gesprächstermin und im Termin am 05.09.2005 in allen beschriebenen Einzelheiten zur Kenntnis genommen habe, aus wichtigem Grunde, hilfsweise fristgerecht kündigen wolle. Sie, die Beklagte, habe dem Betriebsrat als tragende Kündigungsgründe mitgeteilt, der Kläger habe am 22.08.2005 eine Fahrzeit von drei Stunden von Dresden nach Berlin eingetragen, obwohl er zweifelsfrei nur maximal 2 Stunden, 45 Minuten Fahrzeit aufgewendet haben könne. Der Kläger habe erklärt, dass er für die Fahrten Berlin/Dresden drei Stunden Fahrzeit benötige; auf Nachfrage habe der Kläger sodann erklärt, dass er bei Wissen um eine Kontrolle seiner Fahrzeit nicht mehr drei Stunden benötigte Fahrzeit behaupten würde, sondern nur 2,5 Stunden Fahrzeit. Der Kläger habe erklärt, dass er schon seit ca. April 2005 regelmäßig mehr Fahrzeit angebe, als tatsächlich benötigt. Der Kläger habe auf Nachfrage, warum er dies getan habe, keine Gründe benennen können, sondern lediglich erklärt, dies habe er "nur so" gemacht. Diese dem Betriebsrat mitgeteilten Gründe rechtfertigten auch eine Verdachtskündigung.

Der Betriebsrat habe sodann am 06.09.2005 um 8.00 Uhr beraten und noch am 06.09.2005 seine abschließende Stellungnahme an sie, die Beklagte übermittelt. Sie verweise in diesem Zusammenhang auf den Vermerk des Betriebsrats vom 06.09.2005, der sich auf dem Anhörungsschreiben (Bl. 104 d.A.) befinde. Am 07.09.2005 sei darauf hin das Kündigungsschreiben von H2xxx aus an den Kläger per Einwurfeinschreiben versandt worden.

Durch Urteil vom 15.03.2006 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 05.09.2005 weder fristlos noch fristgerecht beendet worden ist. Gleichzeitig hat es die Beklagte verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Tischler weiterzubeschäftigen. Gegen dieses Urteil, das der Beklagten am 13.04.2006 zugestellt worden ist, richtet sich die Berufung der Beklagten, die am 26.04.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangen und am 17.05.2006 begründet worden ist. Die Beklagte hat dem Kläger inzwischen eine weitere Kündigung vom 25.04.2006 ausgesprochen, die Gegenstand des Verfahrens 5 (3) Ca 2013/06 ArbG Dortmund ist. Dieses Verfahren ist zur Zeit ausgesetzt.

Die Beklagte vertritt weiter die Auffassung, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei mit Zugang der Kündigung vom 05.09.2005 am 08.09.2005, hilfsweise mit Ablauf der Kündigungsfrist aufgelöst worden. Denn das Verhalten des Klägers berechtige zum Ausspruch einer Kündigung.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß angehört worden. Das Anhörungsverfahren sei am 05.09.2005 um 13.00 Uhr eingeleitet worden. Das Anhörungsschreiben vom 05.09.2005 sei der Betriebsratsvorsitzenden K3xxxx am gleichen Tage in elektronischer Form als Datei übermittelt, außerdem ausgedruckt und um 13.00 Uhr ausgehändigt worden, was diese auf dem Ausdruck vom 05.09.2005 schriftlich bestätigt habe.

Am 06.09.2005 habe der Betriebsrat über die Kündigung beraten und beschlossen, sich zu der beabsichtigten fristlosen, wie auch zur hilfsweisen fristgemäßen Kündigung nicht zu äußern. Nach der Betriebsratsitzung um 8.00 Uhr habe die Zeugin K3xxxx das als pdf-Datei in ihrem PC abgelegte Anhörungsschreiben geöffnet und elektronisch die Tatsache eingefügt, dass der Betriebsrat beschlossen habe, sich nicht zur Kündigung zu äußern. Das Anhörungsschreiben vom 05.09.2005 mit dem Zusatz vom 06.09.2005 habe die Betriebsratsvorsitzende sodann nochmals ausgedruckt und den Zusatz mit dem aktuellen Datum des 06.09.2005 unterzeichnet. Im Laufe des 06.09.2005 habe die Betriebsratsvorsitzende von D1xxxxxx aus ihren, der Beklagten, Geschäftsführer, der sich in H2xxx befunden habe, telefonisch davon in Kenntnis gesetzt, wie der Betriebsrat beschlossen habe und den zweiten Ausdruck des Anhörungsschreibens vom 05.09.2005 mit dem Zusatz vom 06.09.2005 nach H2xxx gefaxt. Als ihr Geschäftsführer am 08.09.2005 wieder in D1xxxxxx gewesen sei, habe ihn die Betriebsratsvorsitzende gebeten, auf dem Original des am 06.09.2005 bereits gefaxten Schreibens für ihre Unterlagen zu bestätigen, dass er die Entscheidung des Betriebsrats erhalten und zur Kenntnis genommen habe. Ihr Geschäftsführer habe sodann am 08.09.2005 auf dem von der Betriebsratsvorsitzenden bereits am 06.09.2005 in D1xxxxxx unterzeichneten Originalschreiben mit dem Vermerk "z.K. am 06.09.2005" unterzeichnet. Denn ihr Geschäftsführer habe tatsächlich bereits am 06.09.2005 von diesem Beschluss des Betriebsrats Kenntnis erlangt. Das Kündigungsschreiben sei bereits am 05.09.2005 geschrieben und ausgedruckt gewesen, da erwartet worden sei, dass der Betriebsrat noch am selben Tage über die Kündigung entscheiden werde und das Kündigungsschreiben noch am 05.09.2005 versandt werden könne. Dies sei jedoch nicht möglich gewesen. Ihr Geschäftsführer habe das bereits fertig gestellte Kündigungsschreiben mit nach H2xxx genommen und dort die Mitteilung des Betriebsratsbeschlusses abgewartet. Erst nach Mitteilung des Betriebsratsbeschlusses durch die Vorsitzende habe er das Kündigungsschreiben zum Versand ins Sekretariat gegeben.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 15.03.2006 - 10 Ca 4720/05 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und trägt vor, die streitgegenständliche Kündigung vom 05.09.2005 sei bereits gemäß § 102 BetrVG unwirksam. Die Beklagte habe nicht substantiiert dargelegt, dass ihr vor Ausspruch der Kündigung eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrates zugegangen sei. Mit Nichtwissen werde bestritten, dass der Geschäftsführer der Beklagten der Betriebsratsvorsitzenden am 05.09.2005 das Anhörungsschreiben per Datei übermittelt bzw. ihr um 13.00 Uhr ausgehändigt habe. Mit Nichtwissen weiter bestritten werde, dass die Betriebsratsvorsitzende den Geschäftsführer der Beklagten am 06.09.2005 telefonisch über das Ergebnis der Betriebsratssitzung informiert und das Anhörungsschreiben vom 05.09.2005 mit dem Zusatz, dass der Betriebsrat beschlossen habe, sich nicht zur Kündigung zu äußern, versehen und am 06.09.2005 dem Geschäftsführer per Fax nach H2xxx übermittelt habe. Mit Nichtwissen weiter bestritten werde, dass das bereits ausgestellte Kündigungsschreiben vom 05.09.2005 erst nach Eingang der abschließenden Stellungnahme des Betriebsrats abgesandt worden sei.

Auch der Sache nach sei die Kündigung nicht berechtigt. Gründe, die die Beklagte zum Ausspruch einer Kündigung hätten berechtigen können, hätten nicht vorgelegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Der Sache nach hat die Berufung insoweit Erfolg, als die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Tischler verurteilt worden ist. Im Übrigen bleibt die Berufung erfolglos. Denn das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Kündigung der Beklagten vom 05.09.2005, die dem Kläger am 08.09.2005 zugegangen ist, das Arbeitsverhältnis weder fristlos noch fristgerecht beendet hat. Hierbei kann dahinstehen, ob die Kündigung bereits vor Abschluss des Verfahrens zur Anhörung des Betriebsrats ausgesprochen und damit gemäß § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG unwirksam ist. Denn die Kammer konnte sich nicht davon überzeugen, dass ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB bzw. ein Kündigungsgrund im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG, das streitlos auf das Arbeitsverhältnis anwendbar ist, gegeben ist. Dies hat der Kläger rechtzeitig i.S.d. § 4 KSchG gerichtlich geltend gemacht.

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Diese Voraussetzungen sind nach Auffassung der erkennenden Kammer nicht gegeben.

a) Als sogenannte Tatkündigung kann die fristlose Kündigung vom 05.09.2005 keinen Bestand haben.

aa) Der Beklagten ist zwar zuzugeben, dass eine vorsätzliche Täuschung des Arbeitnehmers über die Länge der Fahrzeit, um eine entsprechende höhere Vergütung bzw. Freizeitausgleich zu erhalten, grundsätzlich zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung berechtigt.

bb) Die erkennende Kammer konnte sich aber nicht davon überzeugen, dass der Vorwurf der Beklagten zutrifft, der Kläger habe tatsächlich vorsätzlich längere Fahrzeiten zu den jeweiligen Arbeitsstellen in den Wochenberichten angegeben als angefallen.

(1) Soweit die Fahrzeit am 22.08.2005 von Dresden nach Berlin in Frage steht, geht die Kammer mit dem Sachvortrag der Beklagten davon aus, dass der Zeuge P2xxxxx seine Wohnung in Dresden um 5.25 Uhr verlassen und den Kläger um 5.40 Uhr am vereinbarten Treffpunkt aufgenommen hat. Ausgehend von der weiteren unstreitigen Tatsache, dass der Kläger mit dem Zeugen P3xxxxxx um 8.25 Uhr auf der Baustelle in Berlin eingetroffen ist, errechnet sich in der Tat für den Kläger eine reine Fahrzeit von 2 Stunden 45 Minuten, während er im Wochenbericht eine Fahrzeit von 3 Stunden angegeben hat. Hieraus allein kann aber nicht geschlossen werden, der Kläger habe vorsätzlich über das Ausmaß der am 22.08.2005 aufgewendeten Fahrzeit getäuscht. Nach dem Sachvortrag des Klägers, der mangels dahingehenden Beweisantritt durch die Beklagte nicht widerlegt werden kann, hatte er mit dem Zeugen P3xxxxxx vereinbart, dass dieser ihn am 22.08.2005 spätestens um 6.00 Uhr morgens abholen sollte. Um keinen Zeitverzug eintreten zu lassen, hat der Kläger nach seinem weiteren Vorbringen seine Wohnung gegen 5.25 Uhr verlassen, um sich zu dem ca. 100 m von seinem Haus entfernten Treffpunkt zu begeben. Die Behauptung des Klägers, er habe seine Wohnung bereits um 5.25 Uhr verlassen, kann ebenfalls nicht widerlegt werden. Feststellungen darüber, wann der Kläger seine Wohnung verlassen und sich zu dem vereinbarten Treffpunkt zwecks Weiterfahrt nach Berlin begeben hat, hat der von der Beklagten beauftragte Detektiv nicht getroffen. Er hat nur festgehalten, dass der Zeuge P3xxxxxx den Kläger um 5.40 Uhr aufgenommen hat. Andere Beweismittel, mit deren Hilfe der dahingehende Sachvortrag des Klägers widerlegt werden könnte, hat die Beklagte nicht angeboten. Die Kammer musste deshalb davon ausgehen, dass der Sachvortrag des Klägers zum Zeitpunkt des Verlassens seiner Wohnung zutreffend ist.

Das Vorbringen des Klägers zum Zeitpunkt des Verlassens seiner Wohnung kann auch nicht von vornherein als Schutzbehauptung angesehen werden. Denn der Kläger hat hierfür plausible Gründe benannt. Zum einen hatte der Kläger keinen festen Abholzeitpunkt mit dem Zeugen P3xxxxxx verabredet. Vielmehr sollte der Zeuge P3xxxxxx den Kläger spätestens um 6.00 Uhr morgens abholen. Zum anderen musste der Klägers sich von seinem Haus zu Fuß ca. 100 m weit zu dem verabredeten Treffpunkt begeben und dabei sein Reisegepäck für die kommende Woche mitnehmen. Angesichts dessen erscheint es verständlich, dass der Kläger nicht erst kurz vor 6.00 Uhr, sondern bereits früher seine Wohnung verlassen hat, damit kein Zeitverzug bei der Weiterfahrt eintrat, falls der Zeuge P3xxxxxx mit dem Fahrzeug bereits vorzeitig erschien.

Ist somit davon auszugehen, dass der Kläger am 22.08.2005 bereits gegen 5.25 Uhr seine Wohnung verlassen hat, um sich zu dem vereinbarten Treffpunkt zwecks Weiterfahrt nach Berlin zu begeben, so kann die Eintragung des Klägers im Wochenbericht für die 34. Kalenderwoche, er habe an diesem Tag eine Fahrzeit von drei Stunden aufgewendet, nicht als vorsätzliches Vortäuschen einer längeren Fahrzeit zum Zwecke des Erlangens einer höheren Vergütung oder eines Freizeitausgleichs gewertet werden. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang geltend gemacht, er sei davon ausgegangen, dass die Fahrzeit mit dem Verlassen seiner Wohnung beginnt. Mangels konkreter Regelungen durch die Beklagte, in welcher Weise die Fahrzeit der Arbeitnehmer von der Wohnung bis zur jeweiligen Baustelle ermittelt wird, insbesondere welcher Zeitpunkt für den Beginn der Fahrzeit maßgebend sein soll, kann die Auffassung des Klägers nicht ohne Weiteres von der Hand gewiesen werden, der Zeitpunkt des Verlassens der Wohnung sei maßgebend. Jedenfalls durfte der Kläger davon ausgehen, dass die Zeit, die er für den Fußweg von seiner Wohnung zum vereinbarten Treffpunkt mit dem Zeugen P3xxxxxx aufwenden musste, als Fahrzeit zu werten war. Mangels konkreter entgegenstehender Regelungen konnte der Kläger auch davon ausgehen, dass die Wartezeit bis zum Eintreffen des Zeugen P3xxxxxx ebenfalls als Fahrzeit zu rechnen war, die Fahrzeit also der Wegezeit beginnend mit dem Verlassen der Wohnung in D2xxxxx und endend mit der Ankunft auf der Baustelle in Berlin entsprach. Der Kläger hat damit den Umfang der von ihm abgerechneten Fahrzeit nicht künstlich aufgebläht. Vielmehr hat er plausible Gründe genannt, die ihn veranlasst haben, seine Wohnung am 22.08.2005 bereits um 5.25 Uhr zu verlassen.

Die Annahme des Klägers, die Fahrzeit entspreche der Wegezeit beginnend mit dem Verlassen seiner Wohnung liegt auch deshalb nahe, weil der Weg zur Arbeit, auf dem der Arbeitnehmer gegen Arbeitsunfälle versichert ist, mit dem Verlassen des vom Arbeitnehmer bewohnten Gebäudes beginnt. Befand der Kläger sich damit nach dem Durchschreiten der Außentür des von ihm bewohnten Hauses in D2xxxxx auf dem Weg zur Arbeit, so erscheint die Annahme, der gesamte zeitliche Aufwand zwischen Verlassen des Wohnhauses in D2xxxxx und Ankunft auf der Baustelle in Berlin sei als Fahrzeit anzusehen, nachvollziehbar. Jedenfalls kann dem Kläger unter diesen Umständen nicht vorgeworfen werden, er habe vorsätzlich falsche Fahrzeiten aufgeschrieben, um eine entsprechende höhere Vergütung bzw. Freizeitausgleich zu erhalten.

(2) Soweit der Kläger am Freitag, den 26.08.2005 die gleiche Fahrzeit wie der Zeuge P3xxxxxx in seiner Reiseabrechnung eingetragen hat, kann hiermit der Nachweis der vorsätzlichen Vortäuschung einer längeren Reisezeit nicht geführt werden. Der Kläger hat hierzu vorgetragen, er habe am 26.08.2005 die Fahrzeit zwischen Berlin bis zu ihm nach Hause angegeben; er habe also auch die Zeit aufgeschrieben, die noch angefallen sei, nachdem er den Arbeitskollegen P3xxxxxx nach Hause gebracht habe; der Zeuge P3xxxxxx habe für diesen Tag seine, des Klägers, Zeiten übernommen. Diesen Sachvortrag des Klägers hat die Beklagte weder bestritten noch Beweismittel genannt, mit deren Hilfe das Vorbringen des Klägers widerlegt werden könnte. Hat der Kläger am 26.08.2005 den Zeugen P3xxxxxx zunächst an dessen Wohnung abgesetzt und ist dann erst zu seiner eigenen Wohnung gefahren, so ist nichts dagegen einzuwenden, dass er die gesamte hierfür aufgewendete Zeit als Fahrzeit in den Wochenbericht aufgenommen hat.

(3) Weitere konkrete Tage, an denen der Kläger längere Fahrzeiten in die Wochenberichte aufgenommen haben soll, als tatsächlich von ihm aufgewendet, hat die Beklagte nicht benannt. Der Kläger hat den dahingehenden allgemeinen Vorwurf der Beklagten stets bestritten und geltend gemacht, die von ihm angegebenen Fahrzeiten hätten jeweils der tatsächlich zurückgelegten Wegezeit entsprochen. Angesichts dessen wäre es Sache der Beklagten gewesen, im Rahmen einer Tatkündigung darzulegen und gegebenenfalls nachzuweisen, dass der Kläger an bestimmten Tagen vorsätzlich über das Ausmaß der von ihm aufgewendeten Fahrzeit durch falsche Eintragungen in die Wochenberichte getäuscht hat. Diesen Anforderungen wird der Sachvortrag der Beklagten nicht gerecht. Für die Kammer war nicht ersichtlich, auf welche konkreten Fahrtage des Klägers sich die dahingehende Behauptung der Beklagten beziehen soll.

Der Hinweis der Beklagten, der Kläger habe nach Konfrontation mit den oben genannten Vorwürfen zugegeben, er habe seit ca. April 2005 für die Hin- und Rückfahrten Dresden/Berlin ca. 1/2 Stunde Fahrzeit zuviel abgerechnet, kann zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung führen. Im Rahmen einer Tatkündigung muss die Beklagte den Nachweis führen, dass der Kläger tatsächlich bestimmte Vertragsverletzungen begangen hat. Unter Berücksichtigung des Sachvortrags des Klägers, die von ihm in den Wochenberichten angegebenen Fahrzeiten hätten der tatsächlichen Wegezeit entsprochen, lässt die allgemeine Erklärung, die der Kläger nach der Behauptung der Beklagten im Gespräch am 05.09.2005 abgegeben haben soll, keine Rückschlüsse darauf zu, an welchen Tagen der Kläger in welchem Umfang eine längere Fahrzeit als tatsächlich abgeleistet in den Wochenberichten vermerkt hat. Die allgemeinen Erklärungen des Klägers, durch die er sich durchaus in gewisser Weise selbst belastet hat, falls er diese Äußerungen tatsächlich abgegeben haben sollte, können allenfalls im Rahmen einer Verdachtskündigung Bedeutung erlangen, in dem gestützt auf diese Erklärungen der Verdacht gerechtfertigt sein kann, der Arbeitnehmer habe eine pflichtwidrige Handlung begangen. Im Rahmen einer Tatkündigung genügt dagegen nicht der Nachweis von Tatsachen, die den dahingehenden Verdacht begründen sollen; vielmehr muss die konkrete Tat, auf die die Kündigung gestützt werden soll, als solche nachgewiesen werden.

b) Die fristlose Kündigung vom 05.09.2005 kann auch als Verdachtskündigung keinen Bestand haben. Denn die Beklagte hat den Betriebsrat nicht zu einer sogenannten Verdachtskündigung, sondern nur zu einer Tatkündigung angehört. Stützt der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess die Kündigung bei unverändert gebliebenen Sachverhalt auch auf den Verdacht der Vertragsverletzung, so ist der nachgeschobene Kündigungsgrund der Verdachtskündigung wegen insoweit fehlender Anhörung des Betriebsrates im Kündigungsschutzprozess nicht zu verwerten (vgl. BAG, Urteil vom 03.04.1986 - 2 AZR 324/85, AP Nr. 18 zu § 626 Verdacht strafbarer Handlung).

aa) Eine Verdachtskündigung liegt dann vor, wenn und soweit der Arbeitgeber seine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht eines nicht erwiesenen strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört (vgl. BAG, Urteil vom 03.04.1986, a.a.O., m.w.N.) Um eine Verdachtskündigung handelt es sich somit nicht, wenn der Arbeitgeber, obgleich er nur einen Verdacht hegt, die Verfehlung des Arbeitnehmers als sicher hinstellt und mit dieser Begründung die Kündigung erklärt. Dies gilt auch dann, wenn der Vorwurf, der Arbeitnehmer habe bestimmte Pflichtverletzungen begangen, auf Schlussfolgerungen des Arbeitgebers beruht oder wenn der Arbeitgeber im Kündigungsprozess nicht den vollen Beweis für seine Behauptungen erbringen kann, sondern nur ein begründeter Verdacht nicht auszuschließen ist. Der Verdacht einer Verfehlung des Arbeitnehmers stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar, der in dem Tatvorwurf nicht enthalten ist. Bei der Tatkündigung ist für den Kündigungsentschluss maßgebend, dass der Arbeitnehmer die Verfehlung tatsächlich begangen hat und dem Arbeitgeber aus diesem Grunde die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar erscheint. In einem solchen Falle ist der Arbeitgeber nicht gehalten, zugleich auch wegen des Verdachts einer dahingehenden Verfehlung zu kündigen. Er kann sich entschließen, den Arbeitnehmer nur für den Fall zu entlassen, das sich herausstellen sollte, er habe die Verfehlung tatsächlich begangen (so BAG, Urteil vom 03.04.1986, a.a.O., m.w.N.).

Der Verdacht, der Arbeitnehmer habe eine bestimmte Verfehlung begangen, stellt auch im Sinne des § 102 BetrVG einen eigenständigen Kündigungsgrund dar, der in der dem Betriebsrat mitgeteilten Behauptung, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, nicht enthalten ist. Die Mitteilung, einem Arbeitnehmer solle wegen des Verdachts einer Handlung gekündigt werden, gibt dem Betriebsrat weit stärkeren Anlass für ein umfassendes Tätigwerden im Anhörungsverfahren als eine Anhörung wegen einer als erwiesen behaupteten Handlung. Letztere wird den Betriebsrat vielfach veranlassen, von einer eigenen Stellungnahme abzusehen und die Klärung des Tatvorwurfs dem Kündigungsschutzverfahren zu überlassen. Gibt der Arbeitgeber dagegen zu erkennen, dass er lediglich einen Verdacht gegen den Arbeitnehmer hegt und ihm bereits dieser Umstand für eine Entlassung ausreichend erscheint, so erhebt der Betriebsrat erfahrungsgemäß eher nachdrücklich Gegenvorstellungen (vgl. BAG, Urteil vom 03.04.1986, a.a.O.,).

Stützt der Arbeitgeber die Kündigung erst nach ihrem Ausspruch auf den Verdacht, der Arbeitnehmer habe eine bestimmte Verfehlung begangen, so schiebt er damit einen andersartigen Kündigungsgrund nach und unterliegt insoweit insbesondere kollektivrechtlichen Beschränkungen. Der Arbeitgeber kann deshalb auch bei unverändert gebliebenen Sachverhalt den Verdacht nicht als Kündigungsgrund nachschieben, falls dem Betriebsrat dieser Kündigungsgrund nicht im Rahmen des Anhörungsverfahrens mitgeteilt worden ist.

bb) Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Gesichtspunkte ist die Beklagte gehindert, im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits die Kündigung vom 05.09.2005 auch damit zu begründen, es bestehe der Verdacht, der Kläger habe im Zusammenhang mit den Reiseabrechnungen vorsätzlich längere Fahrzeiten aufgeschrieben als tatsächlich angefallen. Unabhängig davon, ob die rechtlichen Voraussetzungen für den Ausspruch einer Verdachtskündigung gegeben waren, ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Beklagte dem Betriebsrat im Rahmen der Anhörung gem. § 102 BetrVG in irgendeiner Weise mitgeteilt hat, die Kündigung solle auch darauf gestützt werden, gerade der Verdacht eines (nicht erwiesenen) strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens des Klägers habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört. Der Sachvortrag der Beklagten zum Inhalt der Mitteilungen gegenüber der Betriebsratsvorsitzenden K3xxxx am 05.09.2005 lässt dahingehende Rückschlüsse nicht zu. Vielmehr konnte die Zeugin K3xxxx als sorgfältige Erklärungsempfängerin die Mitteilungen der Beklagten nur dahingehend verstehen, die Beklagte beabsichtige, dem Kläger wegen einer nach dem geschilderten Sachverhalt für nachgewiesen erachteten Verfehlung fristlos und vorsorglich ordentlich zu kündigen. Ein irgendwie gearteter Hinweis der Beklagten, die Kündigung solle auch mit dem Verdacht, der Kläger habe die fraglichen Verfehlungen begangen, begründet werden, findet sich nicht. Wie bereits ausgeführt, stellt der Verdacht, der Arbeitnehmer habe eine Verfehlung begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar, der in der dem Betriebsrat mitgeteilten Behauptung, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, nicht enthalten ist. Falls die Beklagte die Kündigung im Rahmen des vorliegenden Verfahrens auch auf den Verdacht stützen wollte, der Kläger habe die streitigen Verfehlungen begangen, so hätte sie dies im Rahmen der Anhörung nach § 102 BetrVG der Betriebsratsvorsitzenden gegenüber in erkennbarer Weise klarstellen müssen. Hat die Beklagte dies unterlassen, so ist sie im vorliegenden Verfahren gehindert, die fristlose Kündigung vom 05.09.2005 auch auf den Verdacht zu stützen, der Kläger habe die streitigen Verfehlungen begangen.

2. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist auch durch die hilfsweise fristgerechte Kündigung vom 05.09.2005 nicht mit Ablauf der Kündigungsfrist aufgelöst worden. Denn die Kündigung ist mangels Vorliegens eines verhaltensbedingten Kündigungsgrundes sozial ungerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG und damit rechtsunwirksam. Die Kammer verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen zur Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung, die in entsprechender Weise auch im Rahmen der Überprüfung der hilfsweise ausgesprochenen fristgerechten Kündigung gelten.

3. Soweit das Arbeitsgericht die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt hat, war das Urteil dagegen abzuändern und die Klage abzuweisen. Unstreitig hat die Beklagte dem Kläger inzwischen eine weitere Kündigung ausgesprochen, die Gegenstand des Verfahrens 5 (3) Ca 2013/06 ArbG Dortmund ist. Über diese Klage ist noch nicht entschieden worden. Damit ist der Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers erloschen. Denn durch die weitere Kündigung wird eine zusätzliche Unsicherheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses begründet, die das schutzwürdige Interesse des Arbeitsgebers an einer Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers wieder überwiegen lässt, solange hinsichtlich der weiteren Kündigung kein der Feststellungsklage stattgebendes Urteil vorliegt (vgl. ErfK-Ascheid, 6. Aufl., § 4 KSchG, Rdn. 98 m.w.N.).

III.

Soweit auf die Berufung der Beklagten das arbeitsgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage auf Weiterbeschäftigung abgewiesen worden ist, beruht die Kostenentscheidung auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Im Übrigen folgt sie aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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